Interview zum persönlichen Jahrestraining mit Aufstellungsarbeit…

Liebe Christa, liebe Sandra,
vorab herzlichen Dank, dass ihr uns mit diesem Interview einen Einblick in die fortlaufende Praxisgruppe eures Jahrestrainings mit Aufstellungsarbeit ermöglicht. Wie seid ihr selbst zu diesem Handwerk gekommen?

Christa: Dies begann bei mir vor 20 Jahren mit meiner Ausbildung bei planoalto – dazumal noch Wildnisschule – wo ich selbst als Teilnehmerin während dem Lehrgang der systemischen Erlebnispädagogik Übungen wie die Ahnengalerie und Aufstellungsarbeit kennenlernte. Diese Arbeit und ihre Wirkung und Möglichkeit, sich als Repräsentantin zur Verfügung zu stellen und so andere und teilweise völlig neue und über meinen persönlichen Tellerrand hinaus gehende Erfahrungen zu sammeln, faszinierte mich total. Beispielsweise wurde ich als «das Glück», «das Hindernis» oder «die Arbeitsstelle» gestellt und dieses Explorieren von körperlichen, emotionalen und auch energetischen Erfahrungen war sehr spannend. So hat sich für mich eine völlig neue Welt aufgetan, wo ich so viel Neues erfahren und erlernen konnte – über mich selbst, aber auch über meine Wahrnehmungskanäle und über systemische Zusammenhänge. So wurden in meinem persönlichen Erleben, in meinem Verständnis und auch in meinem Weltbild immer wieder Grenzen gesprengt. Zu Beginn besuchte ich weiter als Repräsentantin Auftellungsabende und konnte so in viele neue Erfahrungen eintauchen. Die Faszination blieb und mein Verständnis für diese Arbeit wuchs. Zu Beginn waren da oft sehr viele Fragezeichen, im Sinne von «was passiert hier eigentlich gerade!?» Mit der Zeit begann ich die Struktur und die Grammatik dieser Arbeit zu verstehen und mir wurde klar, dass ich dieses «Handwerk» erlernen möchte. So habe ich bei Habiba Kreszmeier weitere Weiterbildungen besucht und dann auch bei der «Grazer Schule», welche zu den Pionieren gehört, gelernt. Anschliessend habe ich gemeinsam mit Sandra unsere eigene Aufstellungsgruppe gegründet. Dies war 2012 – unsere Faszination für diese Arbeit ist bis anhin ungebrochen.

Sandra: Bei mir begann alles vor ungefähr 18 Jahren, als ich eine 3-jährige Ausbildung zur integrativen Atemtherapeutin startete und das erste Mal mit Aufstellungsarbeit in Kontakt kam. Das «Familienstellen», wobei persönliche Themen angeschaut wurden, war Teil dieser Ausbildung. Wie auch schon zuvor von Christa beschrieben, war auch meine Faszination für diese Arbeit von Beginn an gross und so habe auch ich mich anschliessend regelmässig als Repräsentantin für die Themen anderer Teilnehmer*innen zur Verfügung gestellt. Irgendwann hatte ich dann den Mut, selbst eine Ausbildung zur Aufstellungsleiterin zu machen und anschliessend kam es zur Gründung unserer eigenen Gruppe.

Auch nach diesen vielen Jahren bin immer noch sehr neugierig und forsche ständig zu den verschiedensten Fragestellungen. Die Aufstellungsarbeit bietet hier die Möglichkeit, Antworten zu finden. Auch das, was im Unterbewusstsein wirkt und uns oft daran hindert, unser proaktiv Leben zu gestalten, kann mit dieser Arbeit ins Bewusstsein geholt werden, um sich diesen Themen zu stellen.

Ist man nun das erste Mal bei euch mit dabei, was erwartet mich und wie läuft das erste Treffen ab?

Christa: Einmal angemeldet, erhältst du bereits einen ersten Auftrag, denn es ist uns als Prozessbegleiterinnen ein grosses Anliegen, dich in diesem Jahr zu unterstützen damit du an deinen Themen, seien diese aus deinem privaten Umfeld oder dem Arbeitskontext, gegenwärtige, zukünftige Aspekte oder auch Themen aus der Vergangenheit, arbeiten kannst.

Ein Treffen starten wir jeweils mit einem kleinen Input aus der Körperarbeit, um bei sich und den Menschen im Raum anzukommen und unsere Wahrnehmungskanäle zu «putzen». Dann folgt das Check-in. Dabei ist es interessant zu sehen, an welchen Themen andere gerade arbeiten. Während der Aufstellungsarbeit sind wir als Repräsentant*innen oder als Zeug*innen ohnehin auch immer Teil der Arbeit und da kann jede*r auch persönlich profitieren und in Resonanz gehen. «Trittbrettfahren» nennen wir das auch gerne. Ich brauche nicht immer die Hauptdarstellerin zu sein und trotzdem kann ich für mich selbst lernen, erfahren und erkennen. Im Raum verdichten sich die Themen teilweise sehr und sie werden spürbar, Lösungen werden sichtbar, sei es durch das Umstellen der Personen oder der abstrakten Elemente. Es ist nicht nur das Hören, sondern das Wahrnehmen auf den verschiedenen Ebenen und auch das Nachwirkenlassen des Erlebten auf der Kopf- aber auch der emotionalen und feinstofflichen Ebene. Darum raten wir nach einer Aufstellung, das Erlebte und Erfahrene sowie das Verstandene und auch das nicht Verstandene wirken zu lassen. 

Auf das Check-in folgt die Frage nach den mitgebrachten Anliegen, dem Thema oder dem Aufstellungsformat. Wenn das geklärt ist, beginnt die eigentliche Aufstellungsarbeit. So kann es sein, dass bereits bei deiner ersten Aufstellung dein Thema besprochen wird. Es basiert aber alles auf Freiwilligkeit, d.h. du wirst in keine Rolle gestellt werden, die du nicht möchtest. Du bist immer Mitregisseur*in deines Lernens.

Wird ein Anliegen innerhalb dieser Sequenz abgeschlossen oder auch noch in kommenden Treffen darauf Bezug genommen?

Christa: Die Aufstellung an sich ist abgeschlossen, aber wir sind sehr daran interessiert, was wirkt und wie sich das im Leben manifestiert und ob sich etwas verändert hat. Dies interessiert uns als ganze Lerngruppe sehr. Ich empfinde jede Aufstellung als eine Art Forschungsreise, die mich daran erinnert, nicht-wissend, neugierig und demütig an eine Sache heranzugehen, denn wir wissen zu Beginn nie, an welchen Stationen (Themen) wir vorbeikommen und welches Schlussbild sich ergeben wird.

Wir stellen uns für ein Anliegen in den Dienst. Das ist unsere Haltung. Klar ist aber auch, dass alles, was bei einer Aufstellung im Raum erfahren wird, in diesem Raum bleibt.

Und, dass eine Aufstellung abgeschlossen ist, bedeutet nicht, dass das Thema, welches gerade beleuchtet wurde, für immer und ewig aus der Welt geschaffen ist. (schmunzelt)

Gibt es konkrete Highlights, aber auch Herausforderungen dieser Arbeit, die ihr mit uns teilen könnt?

Sandra: Für mich als Aufstellerin ist jede Session ein Highlight, jedes Lösungsbild, das am Schluss steht und die Menschen bewegt und natürlich der ganze Weg dort hin – dies berührt mich und alle Mitwirkenden. Ein persönliches Highlight war, als ich selbst als «allumfassende Liebe» gestellt wurde und mich dieses Gefühl in jeder Zelle berührte und durchflutete und mich regelrecht durch den Alltag trug.

Eine Herausforderung – auch aus persönlicher Erfahrung gesprochen – war, als ich selbst als «Täter» gestellt wurde. Mich diesen Gefühlen zu öffnen und sie zu zulassen, war einerseits eine Herausforderung und gleichzeitig hat es mein Verständnis und Mitgefühl erweitert.

Christa: Ein persönliches Highlight erlebte ich vor kurzem, als Sandra leitete und ich mich als Repräsentantin zur Verfügung stellte. Seit langem gab es wieder einmal eine Wunderaufstellung. Eine Wunderaufstellung kann in besonders verfahrenen Situationen sehr nützlich sein. Ich wurde als «Wunder» gestellt und erlebte eine durch und durch wunder-volle Aufstellung (lacht), welche bis heute nachwirkt.

Ein Highlight ist es für mich jedes Mal, diese Arbeit gestalten zu dürfen. Aufstellungen sind nicht immer so euphorisch, wie meine oben beschriebene Wunder-Erfahrung. Teilweise ist es auch viel pragmatischer. So bin und bleibe ich im Vertrauen, dass das Erlebte ein nützlicher Input war, ist oder sein wird. Wenn ich etwas dazu beitragen kann, dass Menschen ein neues Lösungsbild nach Hause nehmen und zum Beispiel mehr Ruhe ins System gekommen ist, mehr Klarheit gewonnen wurde oder mehr Lebenskraft durch die Person fliesst, freut mich das sehr.

Zweimal im Jahr stellen wir draussen in der Natur auf und wenn dann dort Synchronizitäten entstehen und die Natur ihres dazutut, ist dies sehr kraftvoll.

Herausfordernd wird es, wenn das während des Prozesses entstandene Lösungsbild für die Protagonistin überhaupt nicht annehmbar ist. Das kommt zum Glück nur selten vor, denn ich wünsche mir natürlich, dass alle von ihrer Aufstellung profitieren können.

Auf der Website beschreibt ihr mögliche «Gewinne», die aus der Aufstellungsarbeit resultieren können. Könnt ihr uns dazu einige konkrete Beispiele nennen?

Christa: Ja, wir erwähnen da zum Beispiel: «Du schärfst das Bewusstsein für Beiträge im sozialen Umfeld»
In Aufstellungen werden Systemzusammenhänge und die Auswirkungen des eigenen Handelns sehr schnell sichtbar und manchmal kommen dabei auch überraschende Wendungen zutage. So hat zum Beispiel eine Teilnehmerin in einer Aufstellung erkannt, dass der geplante Veränderungsschritt nicht beängstigt, sondern sich für die wichtigen Bezugspersonen sogar sehr stimmig und erleichternd anfühlt. Oder ein Teilnehmer konnte durch das Abwägen verschiedener Varianten und möglichen Auswirkungen auf sein Umfeld leichter eine Entscheidung treffen. Was wir manchmal wochenlang im Kopf wälzen, zeigt sich in einer Aufstellung oft kurz, klar und knackig. Das erlebe ich als sehr hilfreich.
Und noch ein Beispiel: Beleuchten wir ein Arbeitsteam, mit einer für die Repräsentantin sehr herausfordernden Dynamik, wird sichtbar, wer welche Rolle hat und wer welchen Einfluss auf wen ausübt, ob unterschiedliche Absichten verfolgt werden, worum es eigentlich geht, etc. Mit dieser ergänzenden Sichtweise wächst das Handlungsrepertoire der Repräsentantin und sie bekommt ein Bild davon, was sie konkret unternehmen kann.

Was wir damit meinen, wenn wir sagen «Du schulst deine Feldwahrnehmung»:
Lynn Mc Taggert, eine akribische Wissenschaftsjournalistin, hat zur Frage «Ist alles mit allem durch ein feinstoffliches Feld miteinander verbunden?» jahrelang geforscht, dabei aus ganz verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen zusammengeführt und eine logische Antwort gefunden.
Ich staune, seit ich die Aufstellungsarbeit kennen gelernt habe, über ausserordentliche Phänomene wie: ein Repräsentant spürt, obwohl im Vorgespräch nichts davon erwähnt wurde, exakt an der Stelle einen stechenden Schmerz, an dem der Grossvater im Krieg verletzt wurde, oder eine enorme Verbundenheit zur verstorbenen Frau, obwohl auch hier nichts zur Beziehungsqualität ausgesprochen war, bis hin zu Aussagen, die Stellvertretende in ihrer Rolle wortwörtlich ohne Vorwissen wiedergeben.

Sandra: Was wir auf unsere Homepage auch noch erwähnen, wofür es sich lohnen könnte: «Du erweiterst den Zugang zu deinen Gefühlen und wirst dadurch authentischer und lebendiger» und «Du ergründest die Möglichkeiten deines Körpers als phänomenales Wahrnehmungsorgan»
Ganz grundsätzlich finde ich, dass wir in einer sehr verstandesorientierten und kopflastigen Welt unterwegs sind, fokussiert auf Ziel und Leistung. So verlieren wir uns ein Stück weit aus den Augen, auch unser Gefühl für unseren Körper. Wenn es nun gelingt, die Verbindung zu unserem Körper wieder herzustellen, ist dies der Schlüssel für eine gesunde Beziehung zu uns selbst. Der Körper hat eine eigene Sprache und gibt uns unglaublich viele Informationen über unsere Gefühle, Bedürfnisse und unsere Intuition. Dies soll meiner Meinung nach in unserer Welt vermehrt Platz erhalten und hier bietet das Training eine Möglichkeit, sich wieder ganz bewusst und achtsam wahrzunehmen, sei dies als Repräsentant*in oder während der eigenen Aufstellung als Zeugin. Ein Raum, in dem das, was wahrgenommen wird auch ausgesprochen werden darf. Ja, sogar den Mut haben dürfen, all dies auszusprechen und zu reflektieren. Haben diese Gefühle, die hier aufkommen auch etwas mit mir zu tun oder sind sie «nur» aus der Rolle heraus entstanden? Und so Stück für Stück authentischer werden.

Euer Angebot richtet sich an die Absolvent*innen aller Lehrgänge – von den systemischen Erlebnispädagogen*innen bis hin zum Outdoor Guide sowie an Interessierte, welche die planoalto-Palette noch gar nicht kennen. Warum lohnt es sich dabei zu sein?

Sandra: Immer dann, wenn Menschen mit Menschen arbeiten und unterwegs sind, ist es meiner Meinung nach essenziell, sich selbst regelmässig zu reflektieren und über eigene Stärken und Schwächen nachzudenken, damit keine Übertragungen stattfinden. Für mich zeichnet diese Arbeit an sich selbst ein Stück weit Professionalität in der Begleitung von Menschen aus.

Christa: In einigen Lehrgängen von uns werden Methoden vermittelt, in denen wir Menschen als Repräsentant*innen wählen, so in der Systemischen Erlebnispädagogik, im Biografischen Coaching, wie zum Beispiel in der Systemischen Gesprächsführung. Elemente aus der Aufstellungsarbeit kommen vor, aber nicht die umfassendere Choreografie der «klassischen» Aufstellungsarbeit. Diese wird im Jahrestraining  zur Vertiefung und zur Auseinandersetzung mit sich selbst genutzt. Es bietet eine wunderbare Gelegenheit, sich Themen zu stellen, an ihnen zu wachsen und damit noch mehr an sich und wer möchte, an seinem eigenen Führungsprofil zu arbeiten. Leben ist lernen und wachsen. Manchmal braucht es einfach einen Impuls, der den Anstoss für Veränderung gibt. Sich schönen und auch unangenehmen Themen stellen, dies sind Lernerfahrungen, die ins Leben transferiert werden können.

«Das Jahrestraining ist eine Einladung, dich mit dir und den unterschiedlichen Facetten des Lebens auseinanderzusetzen.»

Wir bieten das Jahrestraining als eine niederschwellige und kontinuierliche Form der Begleitung an. Auf diese Weise kann jemand ein Jahr lang an eigenen Themen arbeiten, anstelle eines Coachings oder einer anderen Form der Begleitung. Man ist in guter Gesellschaft und profitiert von der handlungsorientierten Methodik und der transformativen Kraft der Gruppe.

Das Interview führte Ronja Zuffellato

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Christa über Sandra

All-in ist Sandras Motto. Das, was sie macht, macht sie richtig. So lässt sie sich voll und ganz auf die Fragen der Teilnehmenden ein und begleitet diese sehr sorgfältig und beharrlich. Sandra verknüpft ihr grosses Hintergrundwissen aus der TCM, dem Shiatsu, den unterschiedlichsten Körpermethoden, der Atemarbeit und der Meditation, da wundert es einen nicht, dass sie gerne Aufstellungen leitet, in dem der leibliche Körper eine Rolle spielt!
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Sandra über Christa

Christa ist für mich eine kompetente, wortgewandte und lösungsorientierte Frau, die mit offenem Herzen und einem guten Gespür, die Menschen dort abholt, wo sie gerade stehen und sie dorthin begleitet, wo sie gerne wären. Mit viel Offenheit, Humor und Klarheit.
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