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Denise ist Lehrtrainerin im NDS und hat anfangs März den Lehrgang «Systemische Erlebnispädagogik» abgeschlossen. In ihrer Abschlussarbeit forschte sie zum Thema «Innere Stärke kultivieren» mit der Leitfrage, inwiefern die Erlebnispädagogik mit ihren Wirkungsdimensionen unterstützend wirken kann.

den Resilienzfaktoren auf der Spur

Vor ein paar Tagen habe ich meine eigens verfasste Abschlussarbeit, welche ich vor rund zwei Monaten eingereicht habe, nochmals quergelesen. Bei einigen Abschnitten hat’s mich dann erneut hineingezogen, um genauer hinzuschauen und mich quasi «selbst zu überprüfen». Kennst du das? Bei dir selbst genauer hinschauen zu wollen? Über dich selbst zu stolpern und zu staunen?

Insofern ist das Zurückblicken und Würdigen wohl nicht zu unterschätzen. Dies steigerte meine Vorfreude auf die Abschlusstage des Lehrgangs, die in Kürze folgten.

Würdigung kann sehr stärkend wirken. Oft ist sie rares Gut in unserer schnelllebigen Welt. Wir orientieren uns nach vorne und wissen gleichzeitig, dass die Magie «im Moment der Präsenz» liegt.

Interessanterweise sind Zukunftsorientierung und Achtsamkeit sogenannte Resilienzfaktoren. Oft werden sieben oder acht Faktoren in gängigen Modellen genannt. Ich versuche gerade «Würdigung» einzuordnen und könnte dies, mit handlungsorientiertem Blick, guten Gewissens unter «Selbstwirksamkeit» abbuchen. Sofern Würdigung als Folge betrachtet wird. Wir werden für etwas gewürdigt, das wir getan oder gelassen haben. Vielleicht auch einfach dafür, wer und wie wir sind.

Damit hätten wir bereits einen dritten Faktor. Selbstwirksamkeit lässt sich, gemäss meiner Recherche und Erfahrung, mit Erlebnispädagogik besonders wirksam kultivieren. Sich im Tun, im Handeln, im Ausprobieren und Scheitern erleben. Selbstwirksamkeit meint «die Überzeugung einer Person, auch schwierige Situationen und Herausforderungen aus eigener Kraft bewältigen zu können». In anderen Worten gelingt es, Selbstverantwortung (vierter Faktor) für sich zu übernehmen.

Während meiner Auseinandersetzung wird mir bald klar, dass Resilienzförderung im erlebnispädagogischen Projekt oder Lehrgangspaket direkt mitgebucht ist, ohne dass wir’s – bis jetzt – explizit benennen und vermarkten.

Ich vermute, dass erlebnispädagogische Angebote stärkend wirken (können), weil Verdichtung und Verlangsamung erfahren werden dürfen. Massgeschneiderte Settings und gleichgesinnte Menschen ums gemeinsame Feuer ermöglichen dies gleichermassen, wie motivierte Begleiter:innen. So vermuteten A.H. Kreszmeier und H. Hufenus das Potential der Erlebnispädagogik bereits vor 25 Jahren weniger in der Aktivität an sich, sondern in den Rahmenbedingungen, in denen Aktivitäten eingebettet sind. Nebst der Attraktivität von Angeboten, welche die Motivation steigert, ist es laut den Gründern der damaligen Wildnisschule, die wandlungsfördernde Gestalt, die den Unterschied macht. (Wagnisse des Lernens, 2000, S. 177). Menschen merken also, hier kann ich etwas tun, etwas verändern, ausprobieren, umgestalten. Hier habe ich Handlungsspielraum.

Seine eigene Biografie als lineares Bild zu legen, sie zu überblicken, evtl. sogar etwas umzugestalten und den Ausblick zu geniessen, kann sehr heilsam sein und Akzeptanz fördern. Akzeptanz – ein weiterer zentraler Resilienzfaktor. Dabei ist gemeint, Veränderungen und negative Gefühle als Teil des Lebens zu betrachten. Wenn wir leiden, hat dies mit Schmerz und Widerstand zu tun. Oft ist Widerstand zwecklos. Besonders da, wo wir keinen Einfluss haben. Also ist Lösungsorientierung angesagt und da gibt es das Zauberwort, welches «Ausnahme» lautet und meint, das Gute und das Andere zu sehen und zu verstärken.

Der Lehrgang «Systemische Erlebnispädagogik» hat mir ermöglicht, mich mit meinen persönlichen Werten zu befassen. Für Wertearbeit und eine feinere Differenzierung derer haben die «weichen Methoden» der Palette der kreativ-rituellen Prozessgestaltung ihre ganz eigene Power.  

Wenn ich als Erlebnispädagogin draussen unterwegs bin mit Kindern und Erwachsenen, konfrontieren wir uns mit der Lebendigkeit unserer Umgebung. Dies tangiert oft auch unsere «inneren Umgebung». Unsere Alltagsthemen kommen ungefragt zum Vorschein. Die Unmittelbarkeit des Draussen-Seins, der wir uns aussetzen, konfrontiert uns also direkt oder indirekt.

Gegen Ende des Schreibens wurde mir bewusst, dass meine Abschlussarbeit eine Arbeit zum Thema Haltung geworden ist. Hübsch verpackt und thematisch verwoben. Und so gelange ich während des Verfassens dieser Zeilen zur persönlichen These: «Erlebnispädagogik ist Mittel zur Haltungserprobung».

In der erlebnispädagogischen Arbeit laden wir oft Menschen in für sie ungewohnte Settings ein (und tun so, als wäre das normal) und schaffen dort gemeinsam Komfort, um ihnen «Anderslernen» über sich selbst und die Natur zu ermöglichen.

Gelingt das Einlassen, zeigen sich verschiedenste Wirkungsdimensionen. Damit dies gelingen wird, können wir «im Aussen» einiges tun. Dann sprechen wir von gezielter Gestaltung eines Settings oder einer Intervention. Die Teilnehmenden wiederum können «im Innen» ihren Beitrag leisten. Vielleicht werden wir sogar vom Moment ergriffen. Im besten Fall unterstützen uns Phänomene und Metaphern, welche uns ermöglichen, uns ein Stück weit dem Prozess zu überlassen.

Erlebnispädagog:innen, denen es gelingt, die eigene Elastizität aufrecht zu erhalten, können mit dem Wind mitschwingen und den täglichen Stürmen besser standhalten. So tun es auch gesunde und gut verankerte Bäume. Bäume vernetzen und schützen sich in einer Gruppe gegenseitig. Je diverser die Baumgruppe, desto widerstandfähiger ist sie. Und so beende ich den Artikel mit einem weiteren Resilienzfaktor: Dem Netzwerk/den Beziehungen.

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