Auszug aus der Diplomarbeit von:
Selin Holder

Frauenbegleiterin und Zeremonieleiterin, Erlebnispädagogin
selin_holder@hotmail.com
>> Zu der Diplomarbeit

„Das höchste Gefühl ist die Erfahrung der Einheit mit allem, was ist.
Dies ist die große Rückkehr zur Wahrheit, welche die Seele ersehnt.
Dies ist das Gefühl vollkommener Liebe.“
Neale Donald Walsch

Einssein. Ein Wortspiel, das einlädt in die Tiefe zu blicken. Ein Impuls, alle Grenzen und Fesseln in und um uns zum sprengen zu bringen. In einer Welt, die geprägt ist vom Gefühl des Getrenntseins. In einer Gesellschaft, wo jeder für sich selber ringt. In einem Kampf, der letzten Endes gegen sich selbst gerichtet ist. Und doch atmen wir alle dieselbe Luft, trinken das gleiche Wasser, werden von einer Erde getragen und genährt. Wir alle sind Teil eines grösseren Ganzen, vom Kreislauf des Lebens. Was hat uns in diese selbstzerstörerische Lage gebracht und was benötigen die Menschen, um wieder in eine nährende Beziehung mit sich selber und der Umwelt zu gelangen?

Lernen mit Kopf, Hand und Herz. Die Erlebnispädagogik führt uns an eine Verschmelzung heran. Sie lässt uns sanft die Einheit von Körper, Psyche und der natürlichen Umwelt erfahren. In der Natur kommen wir mit unserer eigenen innersten Natur in den Kontakt. Die Kräfte der Elemente rütteln an uns, setzten uns in Bewegung.

Dieser Fachartikel erörtert das Einssein. Was steckt hinter diesem Begriff und wie kann die Erlebnispädagogik, insbesondere die elementare Naturerfahrung mit der Kraft des Wassers, Feuers, der Erde und Luft zu einer konkreten Erfahrung des Einsseins beitragen, ohne dabei abgehoben und utopisch zu wirken? Die folgenden Seiten regen dazu an auf Entdeckungsreise zu gehen: Was ist dein ureigener Rhythmus in dem Tanz, den wir alle gemeinsam tanzen?

„Es entspricht dem Paradox des Lebens,
dass wir in der Leere die Fülle entdecken
und in der Weite uns selbst finden.“
Markus Mirwald

Von Trennung und Entfremdung

Mann und Frau. Tag und Nacht. Sinnlicher Körper und denkender Geist. Tiefe Liebe und abgründiger Hass. Glühende Hitze und eisige Kälte. Geburt und Tod. Unsere Welt ist geprägt von dem Prinzip der Dualität. Wie könnten wir am lebendigen Leibe erfahren und beschreiben was Nässe ist, wenn es da nicht auch den gegensätzlichen Zustand der Trockenheit geben würde? Wie könnten wir das Gefühl von tiefer Glückseligkeit erleben, wenn wir nicht auch die Erfahrung von zermürbender Traurigkeit durchgemacht haben? Dieses auf der Dualität beruhendes Prinzip, das unser Leben prägt, macht uns das Erleben und Erfahren der Welt erst möglich.

Eine Welt voller Gegensätze, die das Unterscheiden des „Ichs“ mit der Aussenwelt ermöglicht, löst gleichzeitig ein Gefühl des Getrenntseins aus. Ob liebevoll behütet oder zeitweise alleine unterwegs, der eigene Lebensweg kann niemand anderes für einen gehen. Die Einmaligkeit aller Lebensformen auf dieser Welt verstärkt das Gefühl der Differenzierung, des Andersseins. Nichts ist identisch. Jedes Samenkorn, wie auch jeder Mensch, ein Unikat. Der Körper mit seiner äusserlichen Erscheinung wie auch die Lebensgeschichte, die Persönlichkeit, Vorlieben und Erfahrungen, dies alles macht uns zu Individuen mit unserer ganz eigenen Identität.

Das Erfahren der Dualität macht unsere Existenz aus und treibt uns gleichzeitig in die Extremität des Entfremdens. Künstliche Grenzen welche im „Verlauf der wissenschaftlichen Theoriebildung, der Industrialisierung und Rationalisierung“ (Zuffellato und Kreszmeier, 2012, 234) gezogen wurden, bestimmen heutzutage unser Dasein. Die Identifikation mit einer Religion stimmt uns einander feindlich gegenüber. Landesgrenzen trennen Völkergruppen, führen zu territorialem Verhalten, schlimmsten falls zu brutalen Kämpfen und Kriegen. Die Natur nehmen wir als die „Anderswelt da draussen“ wahr, als Gefahr, als abgesonderten Teil. Durch die Wegbewegung vom Gemeinsinn zugunsten der Individualisierung, welche die heutige Gesellschaft in der westlichen Welt bis in die Wurzeln prägt, kämpfen wir ständig um Anerkennung, konkurrieren gegeneinander in der Arbeit, in der Nachbarschaft, in der Familie. Zudem hat die griechische Idee der Trennung von Körper und Geist die abendländische Kultur und das Christentum nachhaltig beeinflusst (Kreszmeier und Hufenus, 2000). Die Verleugnung und Ablehnung des Körpers und deren Verzahnung mit unserem Geist lässt uns in unserer eigenen Haut fremd fühlen. Wir trennen unseren Verstand von unserem Herzen, unsere Psyche von unserem Körper. Wir haben vergessen wie es sich anfühlt in unserer Mitte zu sein. Wo ist unser ureigener Rhythmus geblieben?

Eins Sein: Illusion? Ein blosses Konzept?

Einssein, ein Synonym für die Bewusstheit des Ganzen in dem die Dualität wiedervereint, die Trennung aufgehoben ist. Ein Gefühl, dass es keinerlei Mangel gibt, nichts ausserhalb von mir existiert. Es verweist darauf, dass alles miteinander verbunden ist und wir in eine Verschmelzung eintauchen (Herklotz, 2010). Die Indianer nannten das Gefühl der tiefen Verbindung zu allem was uns umgibt „Lupala“. Ein Befinden, das vergleichbar ist mit „in Liebe sein“ (Hecht, 2018).
 
Doch ist dies eine reine Utopie? Wie soll das Einssein in unserem physischen von der Aussenwelt getrenntem Körper erfahrbar gemacht werden? In einer dualen Welt in der das Getrenntsein das zentrale Bewusstsein des Menschen prägt? 
 
Kehren wir wieder zu der anfänglichen Erkenntnis zurück, dass die Dualität uns das Erfahren und Erfassen von zum Beispiel Nässe und Trockenheit erst möglich macht. Basierend auf demselben Konzept, können wir davon ausgehen, dass nur durch die Erfahrung vom „sich getrennt fühlen“ der Kontrast des „Einsseins“ erlebt werden kann. Allerdings, und dies ist der entscheidende Punkt, kann das Einssein in unserem physischen Körper ausschliesslich als Gefühl und nicht als Zustand erlebt werden. 
 
In der Naturtherapie wird von dem Prinzip der Zugehörigkeit gesprochen, wodurch sich der Mensch unmittelbar und bedingungslos dem Leben angeschlossen fühlt (Kreszmeier, 2019). Das Leben auf unserem Planeten ist ineinander gezahnt. Wir Menschen sind eingebettet in ein komplexes System, welches aus vielen kleinen Puzzleteilchen besteht. Das Gefühl des Einsseins beginnt mit dem Bewusstsein, dass alles miteinander verbunden ist. Unsere Wahrnehmung stellt allerdings immer nur einen gewissen Ausschnitt des Ganzen dar, welches wir nicht in seiner ganzen Grösse erfassen können (Hazler, 2016). 
 
Im Rahmen dieses Artikels beziehe ich mich mit dem Begriff „Einssein“ auf das Gefühl der tiefen Verbundenheit welches auf dem inneren Wissen basiert, dass alles in ein grösseres Ganzes eingebetten ist. Das Gefühl kann sich auf verschiedenen Ebenen äussern:

• innerhalb des eigenen Wesens (Körper, Geist, Seele)
• mit der Umwelt (Personen / Sache / Umgebung)

Erklärungsversuche im Holismus

Das griechische Wort „Hólos“ entspricht im Deutschen dem Begriff der „Ganzheitlichkeit“. Jan Christiaan Smuts, Begründer des Holismus, formulierte die These „Holismus ist die Struktur des gesamten Kosmos“ (Blankertz und Doubrawa, 2017). Der Holismus als zusammenhängende Theorie der Natur- und Geisteswissenschaft umfasst drei Ebenen:
 

Ganzheitlichkeit als Erkenntnistheorie

Die Betrachtungsweise und Wahrnehmung des Menschen beruht auf der Auffassung von Einheiten, Formen und Strukturen in deren Ganzheit. Somit steht das sinnhafte Gefüge im Zentrum der Betrachtung und nicht die Zusammensetzung des Ganzen aus deren Einzelteilen.
 

Ganzheitlichkeit als innewohnende Eigenschaft

Das Ganze ist mehr als die Summe aller Teile. So besteht eine Pflanze aus der hochkomplexen Anordnung von Millionen von Zellen, wobei jede einzelne Zelle wiederum ein eigenständiges kleineres Ganzes ausmacht. Die einzelnen Teile wirken in einer ordnungs- und gesetzmässigen Vollkommenheit, ergeben die lebende Gemeinschaft eines Organismus und erfüllen deren Zweck.
 

Ganzheitlichkeit als Bestreben

Das Prinzip des Holismus geht davon aus, dass alle Daseinsformen danach streben, vollständig und ganz zu sein. Die Evolution wird auf dem Prozess der Bildung des Ganzen begründet – von den physikalischen Anfängen als Energie oder Materie bis hin zu der höchsten Schöpfung in seinen vielfältigen Erscheinungsformen.
Basierend auf dem Holismus, besteht somit jeder Mensch aus einem Organismus eines wundervollen Ganzen, während er gleichzeitig Teil weiterer hochkomplexer Systeme ist, in denen er als Wirkungseinheit dient und die Vollkommenheit angestrebt wird. 
 

Einssein im Kontext der systemischen Erlebnispädagogik

Welche Rolle spielt nun die systemische Erlebnispädagogik in diesem Kontext? Wie trägt sie dazu bei, dem Gefühl der vorherrschenden Trennung und Entfremdung von sich selbst und seiner Umwelt entgegenzuwirken? Inwiefern öffnet dieses Feld den Menschen die Möglichkeit, das Gefühl des Einsseins zu erleben und uns somit daran zu erinnern, dass das Leben ineinander gezahnt ist und wir in einem grösseren Ganzen eingebettet sind?
 

Der systemische Blick auf die Welt

Der systemische Ansatz der Erlebnispädagogik, was auf die Bedeutung „zusammen stehend“ verweist, stellt den Menschen in eine Interdependenz mit seiner Umwelt. Alles ist in einem komplexen System eingebettet. In und um alles besteht ein Lebensfluss, der beweglich ist und sich ständig verändert (Zuffellato und Kreszmeier, 2012). Der Tanz der systemischen Erlebnispädagogik zwischen Erklärbarem und Unerklärbarem, Grobstofflichem und Feinstofflichem löst allmählich starre Grenzen auf und öffnet den Menschen einen Erfahrungsraum zwischen den Gegensätzen. 
 

Das ganzheitliche Wesen der Erlebnispädagogik

Die Erlebnispädagogik beruht auf einem ganzheitlichen Menschenbild. Die Trennung verschiedener Ebenen der Persönlichkeitspanne, wie sie im realen Leben mehrheitlich vorzufinden ist, wird kritisch hinterfragt (Fischer und Ziegenspeck, 2008). Der Naturtherapeutische Ansatz der besagt, dass der Mensch durch die drei Ebenen Psyche, Seele und Körper mit der Welt im Kontakt steht, spiegelt sich auch in der Haltung der systemischen Erlebnispädagogik wider (Zuffellato und Kreszmeier, 2012).
Durch die Erlebnispädagogik soll die Entwicklung der ganzen Persönlichkeit „mit ganzheitlichen pädagogischen Milieus und Arrangements verbunden werden, die auf der inneren Wechselwirksamkeit von körperlichen, intellektuellen und sozialen Lernfeldern beruhen“ (Fischer und Ziegenspeck, 2008, S.24). Die Erlebnispädagogik spricht somit die verschiedenen Ebenen des Wesens an und zielt auf ein ganzheitliches Lernen mit Kopf, Herz und Hand ab. 
 

Einheitscharakter von Erlebnissen

Das Lernen durch Erleben ist in der systemischen Erlebnispädagogik von zentraler Bedeutung. Ein Erlebnis stellt dabei eine verdichtete Lernsituation dar und wird als „ein ganzheitlicher Akt, der Körper, Seele, Bewusstsein und Emotion anspricht“ (Zuffellato und Kreszmeier, 2012, S. 45) verstanden. Je intensiver das Erlebnis, desto stärker dessen Wirkkraft auf das Individuum.
Eine Besonderheit des Erlebnisses findet sich in seinem Einheitscharakter. Im Erlebnis verschmelzen Empfindung, Denken, Fühlen und Wollen. Sie werden zu einer Ganzheit, in der die einzelnen Aspekte, zumindest für eine kurze Zeit, nicht mehr voneinander unterschieden werden können. Deutlich wird dies in dem von Schott (2003) erläutertem Beispiel vom Tiefschneefahren:
„Auf der unpräparierten Tiefschneepiste, wird es womöglich einige, wenige Augenblicke geben, in denen man glaubt, eins zu sein mit sich und dem Schnee. Es ist dann als seien keine Grenzen mehr vorhanden. Die Gedanken verlieren sich im Duft des Schnees und der frischen Bergluft. Von einem gewissen Punkt an, der nicht zu erzwingen ist, braucht nicht darüber reflektiert zu werden, wie man sich am besten bewegt, wie man am besten den Ski belastet, wie man am besten schwingt und dergleichen. In den Mittelpunkt gerät vielmehr ein Gefühl, mit welchem sich Ohnmacht und Allmacht zugleich einstellen, ein Gefühl, welchem man sich bereitwillig hingibt.“ (Schott, 2003,155f)
Wenn ein besonders intensives Erleben beim Aufgehen in einer Situation eintritt, wie im oben aufgeführten Beispiel zu erkennen ist, kann dies zu sogenannten Flowerlebnissen führen. 
 

Flowzustand

Der englische Begriff „flow“ bedeutet fliessen und begründete die vom Psychologen Mihaly Csikszentmihalyi’s Theorie der positiven Lebensqualität. Flow umschreibt den Zustand in dem ein Individuum mit der Tätigkeit und der Umgebung verschmilzt. Die Person kann in diesem Moment das Bewusstsein seines Selbst nicht mehr von der subjektiven Handlungswahrnehmung trennen. Durch diese Selbstvergessenheit fühlt sich das Individuum über sich selbst herausgehoben. Zeitliche und strukturelle Grenzen lösen sich auf. Minuten können dabei zu Augenblicken oder zu einer Ewigkeit werden. Zudem verdichtet die unmittelbare Rückmeldung das emotionale Erleben. Gefühle von Transzendenz, Freude, Befriedigung und Glück stellen sich ein (Zuffellato und Kreszmeier, 2012).
 
Ein Flow Zustand kann laut Csikszentmihalyi dann stattfinden, wenn Körper und Seele des Menschen alle Energien und Fähigkeiten mit verschärften Sinnen auf die gegenwärtige Handlung konzentrieren. Das entscheidende dabei ist, dass die Tätigkeit herausfordern sein muss aber nicht überfordernd sein darf (Schott, 2003).
 
In der Erlebnispädagogik wird genau an diesem Punkt angesetzt. Die Persönlichkeitsentwicklung wird durch ein maximales Verhältnis zwischen individuellen Ressourcen und situativen Anforderungen erzielt. Der starke Einbezug von dem Körper in der systemischen Erlebnispädagogik und dessen Aktivierung beim Flusstrekking, Kajaken und Schneeschuhlaufen ermöglicht das Erleben dieses Handlungsflusses und das Verschmelzen im Hier und Jetzt. 
 

Gruppenkohäsion

Das Lernen in der Gruppe durch das Zusammenwirken verschiedener Individuen ist ein relevantes Feld der systemischen Erlebnispädagogik. Eine Gruppe wird dabei verstanden als die Verbindung vieler Individuen zu einer „neuen, funktionierenden Einheit“ (Zuffellato und Kreszmeier, 2012, S. 228). Auch hier gilt entsprechend dem Holismus das Kredo „das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“.  Durch das gemeinsame Unterwegssein in der Natur wird insbesondere an die soziale Kompetenz von jedem Gruppenmitglied appelliert. Der Kooperationswille und Gemeinschaftssinn werden des Schutzes, Weiterkommens und Sicherns von Ressourcen wegen sichtlich verstärkt (Kreszmeier und Hufenus, 2000).
 
Beim fliessenden Austausch miteinander und dem Verarbeiten von Impulsen aus dem Umfeld erlebt sich das Individuum als einen einzigartigen Teil eines Systems in dem jeweils die Gruppe als ganzes Ensemble auf Impulse reagiert (Zuffellato und Kreszmeier, 2012). Phänomene wie das Erleben der Schwarmintelligenz – die selbst organisierende kollektive Intelligenz einer Gruppe – können das Gefühl Teil einer Einheit zu sein, die tief miteinander verbunden ist, zusätzlich intensivieren.

Die Naturerfahrung

Die Natur öffnet uns einen Raum für die Begegnung mit uns selber und bietet uns die Chance „uns umfassender, ganzheitlicher zu erleben“ (Kreszmeier und Hufenus, 2000, S.61). Der Mensch ist ursprünglich für ein Leben in der Natur geschaffen. Über tausende von Generationen hat er in der Wildnis gelebt. Unsere Wahrnehmungs- und Handlungsmöglichkeiten sind in enger Verbundenheit mit der Natur entsprungen. Die Erlebnispädagogik führt und zurück in den Kontakt mit diesem Raum, den wir mittlerweile als getrennten Teil von uns auffassen. Sie macht sich das Verschmelzen von Körper, Geist und Seele mit der Natur zu nutze: „Durch den bewussten und sanften Umgang mit der Natur werden Begegnungen auf allen Ebenen des menschlichen Wesens möglich, über alle Sinne und Emotionen, vielleicht sogar mit seelischer Berührtheit“ (Zuffellato und Kreszmeier, 2012, S.190).
Dem Körper wird eine grosse Bedeutung als Erkenntnismedium zugemessen, welcher seine ganz eigene Weisheit in sich trägt. Dabei wird an das archaische Wissen alter Völker um die heilsame Kraft der Körperbewegungen angelehnt. Ein erlebnispädagogisches Ziel ist das „Finden der eigenen richtigen Bewegung, um auch richtig im Leben stehen zu können.“ (Kreszmeier und Hufenus, 2000, S.159). Eine Rückanbindung an unseren ureigenen Rhythmus?
 
In der Natur begegnen wir einem vollkommen intakten System in dem alles feinstens miteinander verwoben und aufeinander abgestimmt ist. Sie spiegelt uns unsere innere Welt und lässt diese mit der äusseren Welt verschmelzen. Die künstliche Trennung von der natürlichen Umwelt und die Entfremdung von sich selbst werden durch die Naturerfahrung sanft aufgelöst. Im folgenden Kapitel wird näher auf die innewohnende Kraft der elementaren Energien von Feuer, Wasser, Luft und Erde als ein Bereich der Naturerfahrung eingegangen.

Die Kraft der Elemente

Schöpfungsgeschichte

..am Anfang erwachte das, was war, ist und sein wird, zu der Erkenntnis, dass es alles und nichts zugleich war. Es gab keine Geburt, kein Wachstum und keinen Tod, und auch weder Harmonie noch Uneinigkeit. Das einzige was existierte, war die Möglichkeit für all dies und noch viel mehr. Nur unendliche Möglichkeiten, sonst nicht. Der diese primordiale Essenz durchdringende Schaffensdrang energetisierte Stück für Stück alles, was war, ist und sein wird. Infolge dessen erwachte das Konzept der Polarität, was unausweichlich zum allerersten Schöpfungsmoment führte.
 
Mit dem Polaritäten kam Bewegung, und mit der Bewegung entstand eine dynamische Spannung zwischen den Polen. Mit einem grossen Schrei der Freude, des Schmerzes, des Genusses und der Einsamkeit zugleich explodierte das Alles in einem kosmischen Orgasmus. Die Pole wurden sich ihrer eigenen Existenz und der ihres Gegenstückes bewusst. Sie erfreuten sich am Tanz der Energien zwischen ihnen; zugleich aber bestürzte es sie, nicht mehr eins zu sein.
 
Als sich die Gedanken von Gott und Göttin einander zuzuwenden begannen, brachten die Seufzer der Freude ob ihre tiefen Kenntnis von und des Verständnisses füreinander den ersten Lufthauch in die Welt, er war der Träger ihrer Worte der Liebe füreinander. So entstand das Element Luft, welches seit diesem Moment jeden Neubeginn ankündigt und unsere Gedanken mit Hilfe unserer Worte in die Welt hinaus trägt.
 
Die Worte der Liebe schürten ihre Lust und ihr Begehren füreinander. Sie fachten die Schöpfungsflamme an, bis sie hoch hinauf loderte. So entzündet, barst ihre Sehnsucht nacheinander in Form gewaltiger Inspiration auf und entliess aus ihrem Herzen das Elemente Feuer, das seit dem hell mit dem Verlangen nach Schöpfung und schöpferischer Inspiration brennt. 
 
In grosser Verzückung vergossen Göttin und Gott Tränen der Freude und Liebe, aber auch der Verzweiflung, weil sie nicht mehr für immer eins waren. Als diese Tränen vom Firmament fielen, verstanden sie, dass sie durch den Fluss ihrer Gefühle in der Lage waren, einander intuitiv Heilung zu schenken. Deshalb ist es der tiefe Spiegel des Wassers, in dem wir uns selbst und andere erkennen können. 
 
Nachdem sie einander au diese Weise erkannt hatten, erwachte in Gott und Göttin das Bedürfnis, einander berühren und halten zu können. So entstand die Materie und alle Körper. Auf diese Weise konnten die Liebenden trotz ihrer Trennung in der innigen Umarmung für eine gewisse Zeit immer wieder eins werden. Durch diese Verbindung von Geist und Fleisch entstand das Element Erde. Deshalb sind auch wir in der liebenden Vereinigung unserer Körper dem Göttlichen am nächsten und können dann, wenn diese Begegnung in Liebe und Harmonie mit den anderen Elementen geschieht, selbst zu Schöpfern werden. Göttin und Gott wussten jedoch auch, dass es in einem Universum der Polaritäten neben dem Fluss des Lebens auch den Tod geben muss. Alles Materielle muss irgendwann vergehen, um den Tanz auf der Spirale des Seins erneut aufnehmen zu können (Auszug aus „Seelenpfade“ von Gabriel & Anderson, 2009, S. 72 ff). 
 
Die Schöpfungsgeschichte greift das Konzept der Trennung durch das Prinzip der Dualität wieder auf. Die Geburt des Lebens entfaltet sich in der dargelegten Geschichte durch die vier Elemente. Die Auffassung dass die Materie aus den Grundsubstanzen von Luft, Feuer, Wasser und Erde besteht ist weit verbreitet und wird im nächsten Kapitel genauer erläutert.
 

Die vier Grundsubstanzen der Existenz

Die Verankerung und Anwendung der Elemente in Religion und Kultur war in Babylon über Indien bis hin im alten China äusserst geläufig. Über 2000 Jahre bildete die aus der griechischen Antike entsprungene Lehre der vier Elemente die Basis zahlreicher Wissenschaften.  Sie besagte, dass alle Erscheinungsformen auf der Welt ein Ergebnis des Zusammenwirkens von Feuer, Wasser, Erde und Luft sind. Insbesondere durch die Anthroposophie wurde die Elementenlehre in dem westlichen Kulturkreis wiederbelebt (Isenschmid, 2018). Die Elemente sind archetypisches Urgut des Menschen. Der starke Bezug zu den Elementen zeigt sich unter anderem in deren Anwendung in zahlreichen Redewendungen, Mythen, Märchen und Elementarmetaphern (Kreszmeier und Hufenus, 2000).
 
Auch die Naturtherapie beruht auf der Auffassung, dass die vier Elemente die Urstoffe des Lebens in der Materie sind. Alles was auf der Erde lebt wird von elementaren Kompositionen und Bewegungen bestimmt (Kreszmeier, 2019). Die Natur und der Mensch werden als Teil eines grösseren Ganzen betrachtet, wobei sie sich aus den gleichen elementaren Grundkräften zusammensetzen. Diese Urkräfte kommen sowohl auf der materiellen, energetischen wie auch spirituellen Ebene zum Ausdruck. In jedem Wesen finden sich unterschiedliche Prägungen der Elemente, die sich wiederum im Erscheinungsbild, den Bewegungen, Ressourcen und Abneigungen des Menschen spiegeln. Oft steht dabei eine elementare Kraft im Vordergrund. Befinden sich die innewohnenden Kräfte in einem Ungleichgewicht, kann dies zu Blockaden führen (Kreszmeier und Hufenus, 2000).
 
Die Annahme dass der Mensch die Elemente in sich trägt wird in zahlreichen Modellen von der chinesischen Medizin, zu Ayurveda, schamanischen Weltanschauungen bis hin zur Astrologie vertreten (Kreszmeier, 2019).

Elementare Energien in der Erlebnispädagogik

In der systemischen Erlebnispädagogik wird die Auseinandersetzung und Begegnung mit den elementaren Energien der energetischen Naturerfahrung untergeordnet. Die energetische Naturerfahrung ist als solches nicht konkret mit den Sinnen fassbar, sondern findet auf der feinstofflichen Ebene statt. Ausdrücke wie “dicke Luft im Raum” oder “jemand hat eine warme Ausstrahlung” bringen das Phänomen auf den Punkt (Kreszmeier und Hufenus, 2000).
Bei energetischen Wirkungen spricht man von der unsichtbaren Stimmung die von Räumen, Plätzen wie auch Menschen ausgehen. Dies basiert auf der Annahme, dass jegliche Erscheinungen nicht nur über ihre materielle Form wirken, sondern auch über einen erweiterten unsichtbaren jedoch spürbaren Raum, der das Materielle wie einen energetischen Mantel umhüllt (Kreszmeier und Hufenus, 2000).
 
Dies gilt auch für die Elemente. Jedes der vier Elemente hat neben seiner materiellen Dimension, auch seine ganz eigenen energetischen und spirituellen Eigenschaften, die unterschiedlich auf uns wirken. In der Natur kommen wir in einen direkten Kontakt mit den energetischen Kräften, die in den elementaren Energien von Luft, Feuer, Wasser und Erde innewohnen. Diese Kräfte können uns sowohl unterstützen wie auch herausfordern unser inneres Gleichgewicht zu entwickeln und zu erneuern und somit eins in uns zu werden. Der Zugang zu diesen heilsamen und transformierenden Energien öffnet sich über die konkrete Handlung (Zuffellato und Kreszmeier, 2012).
 

Heilende Impulse der elementaren Kräfte

Aussagen wie „nahe am Wasser gebaut sein“ „durch den Wind sein“ „kein Feuer mehr haben“ machen Ungleichgewichte, die sich im menschlichen System einschleichen können deutlich. Das Wechselspiel der elementaren Kräfte hat einen unmittelbaren Einfluss auf die Gesundheitsentwicklung des Menschen. Gesundheit wird dabei als Prozess verstanden bei dem der Körper, die Psyche und Seele ein kooperatives Netzwerk bilden und ihre unterschiedlichen Wirkkräfte zueinander ausrichten (Kreszmeier, 2019).
 
Stehen die Elemente im Menschen in einer ausgeglichenen Verbindung zueinander hat dies dies zur Folge, dass dieser sich in seiner Mitte fühlt. Dies bedeutet dass er „aus der Fülle der Qualitäten schöpfen kann, die sich aus einem fliessenden Zusammenspiel von Körper, Psyche und Seele ergeben“ (Zuffellato und Kreszmeier, 2012, S.113). Die Mitte von der hier gesprochen wird steht für die ganz eigene Essenz die jedes Wesen ausmacht. Dieses eingemittet sein hat ein wirkliches und präsentes Dasein im und die Beteiligung am Leben zur Folge. Wir fühlen uns unmittelbar und bedingungslos dem Leben angeschlossen, sind erfüllt von Lebenskraft und Urvertrauen (Kreszmeier, 2019). Eins in uns mit unserem ureigenen Rhythmus und eins mit dem Leben.
 
Der direkte Kontakt mit den Elementen in der Natur unterstützt das Erforschen und Ausgleichen der elementaren Kräfte in der eigenen Innenwelt. Hierbei gibt es unterschiedliche Wege um das innere Gleichgewicht wieder herzustellen und die Lebenszugehörigkeit zu stärken (Kreszmeier, 2019):
 
• Ziehen lassen: Durch den unmittelbaren Kontakt mit den Elementen (erdnahes Schlafen, Kontakt zu offenem Feuer und natürlichen Gewässern) kann eine Reinigung von inneren „Verschmutzungen“ wie beispielsweise Glaubenssätzen, Gefühlsqualitäten oder Handlungsmuster vorgenommen werden
• Zu sich nehmen: Ausgleichende Einverleibung von abgespalteten Anteilen, die auf der Strecke geblieben, verloren gegangen sind. Fehlt jemandem zum Beispiel das Feuer kann diese Person angeregt werden für das Gruppenfeuer zuständig zu sein
• Verbindung: Mit gezielten „elementaren Verschreibungen“ Körper, Geist und Seele in ihren Grundbewegungen bestärken und Hinwendung zu einer Anbindung der drei Ebenen bewerkstelligen
• Einmittung: Durch einen ausgewogener Kontakt mit Elementen, welche in der Welt ständig Ausgleichsbewegungen kreieren und die Wiederverbindung mit den primären Lebenskräften eine Zentrierung und Stärkung der Mitte hervorrufen  
 
Im folgenden Kapitel wird näher auf den elementaren Kreislauf eingegangen, der sich die Erlebnispädagogik zu Nutze macht. 
Abbildung: Elementares Kreislaufmodell (Kreszmeier, 2019)

Kreislaufmodell

Bei der Arbeit mit elementaren Energien ist die verbindende Betrachtung besonders wichtig. Alle Grundelemente müssen jeweils vorhanden sein damit eine Lebensform langfristig überlebensfähig ist. Die Elemente sollen dabei nicht als isolierte Einheiten betrachtet werden. Sie wirken immer in einem bewegten Zusammenspiel miteinander. So wird der Boden erst locker und fruchtbar durch das Einwirken von Luft und Wasser. Feuer kann ohne Luft nicht brennen. Und gäbe es keinen Sauerstoff im Wasser könnten Tiere darin nicht existieren. (Gabriel und Anderson, 2009).

Die Erlebnispädagogik orientiert sich an einem elementaren Kreislaufmodell mit einer horizontalen und vertikalen Achse. Die Welt dreht sich um den Schnittpunkt dieser Achsen. Im unten aufgeführten Modell wird zudem deutlich, dass die vier Elemente verschiedene Facetten in sich tragen. So fallen beispielsweise unter das Element Wasser sowohl der Nebel, das Meer, der Fluss und die Quelle.

In dem Modell steht das Feuer dem Wasser und die Erde der Luft als Achsenpaar gegenüber. Diese Achsenpaare stellen den grössten Gegensatz dar, wobei die daneben liegenden Nachbarn sich unterstützen und eine Verwandlung in eine ähnliche Struktur ermöglichen. So wird das Feuer beispielsweise von der „Luft“ genährt und kann von der „Erde“ aufgenommen werden. Der Ausgleich zwischen ergänzenden und abstossenden Kräften schafft dabei die Basis für elementare Bewegungen (Kreszmeier, 2019).

Im Folgenden wird genauer auf die jeweiligen Eigenschaften und Wirkungen der einzelnen Elemente eigegangen. Hierfür existieren zahlreiche Modelle und Theorien, die teilweise auch Unterschiede in sich tragen. Die anschließenden Ausführungen haben keinen Vollständigkeitsanspruch, sondern sollen lediglich einen Einblick in die vielfältige Welt der Elemente gewähren.

Feuer

Das Element Feuer zeigt sich in unterschiedlichen Erscheinungsformen, von der Glut im Erinnern bis zu der Entladung eines Blitzes. All diese Formen sind wiederbelebtes Sonnenfeuer. Dem Element begegnet man in Redewendungen wie „feuriges Temperament“ oder „lodernde Begeisterung“. Mit Feuer werden Themen der Kraft, der Kreativität, des Aufbruches, des Mutes und der Zerstörung in Verbindung gebracht (Kreszmeier und Hufenus, 2000).

Das Feuer bringt uns in Berührung mit der Kraft, die das Universum bewegt. Es repräsentiert die in uns innewohnende Lebensenergie. Der instinktive Lebenstrieb wird durch dieses Element im Menschen geweckt. Auf der körperlichen Ebene äussert sich das Feuer durch die Sexualität und steht somit für die Erhaltung und die Fortpflanzung. Zudem ist das Feuer Lebensmotor für Entwicklung. Durch das Erlernen des Feuerentfachens wurde die Kultur und Geistesbildung wesentlich beschleunigt (Kreszmeier, 2019).

Feuer schenkt uns Wärme und Schutz, jedoch zerstört es auch alles was damit in Berührung kommt. Auf der psychischen Ebene wird es mit der Regulierung von Nähe und Distanz in Verbindung gebracht und lehrt uns den Umgang mit unserem eigenen inneren Feuer. Ist das Element Feuer in einem Menschen zu stark ausgeprägt, kann sich dies in explosiven Gefühlen und Besitzergreifung äussern. Der starke Fokus auf die Produktivität in unserer heutigen Leistungsgesellschaft wird der Überbetonung des Elementes Feuer nachgesagt. „Burn-out“ ist die unmittelbare Folge davon (Gabriel, und Anderson, 2009).

Auf der seelischen Ebene wird das Feuer mit Transformationskraft, Intuition und Wille assoziiert. So schaffen Waldbrände beispielsweise die Grundlage für neue Lebensräume. Feuer setzt in Bewegung, gibt Inspiration für neue Richtungen und bringt uns ins Handeln (Kreszmeier, 2019).

In der Naturerfahrung wird das zentrale Lagerfeuer als wärmende und lichtspendende Quelle genutzt. Beim sitzen ums Feuer im Kreis können archaische Erinnerungen hervorgeholt werden. Das Kochfeuer nährt uns, kann aber auch herausfordern. So treibt es brennenden Rauch in die Augen, will nicht richtig brennen oder gerät gar ausser Kontrolle (Zuffellato und Kreszmeier, 2012).

Wasser

Auch das Wasser entfaltet sich in zahlreichen Formen, wobei es sich in einem steten Kreislauf befindet und sich laufend der Umgebung anpasst. Es offenbart uns die konkreten Zusammenhänge zwischen Bewegung, Reinigung und Neugeburt. Die Redewendungen „im Meer der Gefühle ertrinken“ „gegen den Strom schwimmen“ machen sich die Eigenschaften des Elementes Wasser zu nutze. Wasser wird mit Klarheit, Reinigung, durchdringender Kraft, Tiefe, Anpassung und Veränderung assoziiert (Kreszmeier und Hufenus, 2000).
Das Wasser ist Lebenselixier und hat das Leben auf der Erde erst ermöglicht. Eine Quelle repräsentiert dabei die Kraft des unberührten Neubeginns und des schöpferischen Anfängergeistes. In vielen Religionen symbolisiert Wasser ein heiliges Element, das eine reinigende Kraft in sich trägt.

Der Fluss ist die fliessende Erscheinungsform des Wassers und symbolisiert neben Hingabe auch die Kraft, die sich seinen Weg sucht und Felsen entzweien kann. Im Meer fliesst alles zusammen. Das Meer trägt und wiegt, verschlingt und begräbt jedoch auch. Der Dampf, Nebel und Regen stellt die Verbindung zwischen dem Festen und Feinstofflichen dar. Der Auflösungsprozess wird dabei mit dem Tod in Verbindung gebracht und eröffnet dadurch gleichzeitig die Möglichkeit eines Neubeginns (Kreszmeier, 2019).

Auf der psychischen Ebene versinnbildlicht das Element die Emotionen und die Kraft des Unbewussten. Die Überbetonung des Elementes Wasser im Menschen kann dazu führen, dass man in Gefühlen versinkt (Gabriel und Anderson, 2009).

Insbesondere in der Natur werden wir uns bewusst wie angewiesen wir auf dieses lebensbestimmende Element sind. Es fliesst sowohl im wie auch um den Menschen. In der Naturerfahrung begegnen wir seinen unterschiedlichen Qualitäten, werden überrascht von tobenden Regenstürmen, streifen durch eine von Nebel umhüllte mystische Landschaft, erleben wie das Meer uns trägt (Kreszmeier und Hufenus, 2000).

Erde

Die Redewendung „mit beiden Beinen auf dem Boden stehen“ vermittelt bildhaft unsere Beziehung zur Erde. Sie ist unser tragender und nährender Lebensraum. Durch die Schwerkraft erleben wir Anbindung und Halt.

„Mutter Erde“ beschenkt uns mit Nahrung, alles was wir haben kommt aus ihr. Gleichzeitig bringt sie uns mit dem Zyklus von Leben und Tod in Berührung. Mit dem Element Erde werden Themen der Festigkeit, des Halts, der Fruchtbarkeit und des Todes assoziiert (Kreszmeier und Hufenus, 2000).

Die Erde als territorialer Raum ruft in uns ein Gefühl der Heimat und Verbundenheit hervor. Sie schenkt uns Halt und ein Gefühl von Präsenz und Ankommen. Ihre mineralischen Eigenschaften transportieren uns die Bedeutung von bleibenden Werten und Stabilität. Durch die irdische Bindung kommen wir in einen Kontakt mit der eigenen Identität. Der Raum und die Grenzen auf unserem Planeten unterstützen Prozesse zur Bildung oder Stärkung von Identitätsgrenzen. Die organische Erde stellt dabei im Gegensatz zur mineralischen Erde weiche Attribute dar und lässt uns einen Bezug zur Vergänglichkeit und Neuanfängen schaffen. Auf ihr erleben wir den Kreislauf der Zersetzung vom Alten und der Geburt von Neuem. Um lebendig und nährstoffreich zu bleiben, müssen äussere und innere Schichten immer wieder aufgewühlt werden (Kreszmeier, 2019).

In der Naturerfahrung kommen wir insbesondere durch die körperliche Bewegung in den Kontakt mit der Erde. Beim Barfuss laufen und dem Einsatz unserer Hände spüren wir die unterschiedliche Beschaffenheit des Elementes. Die Erde bringt uns in die Handlungsfähigkeit und inspiriert zu kreativem Schaffen (Kreszmeier und Hufenus, 2000).

Ist das Element Erde in einem Menschen besonders ausgeprägt, nehmen Attribute wie Sturheit, Festhalten an Altem und hohes Interesse an materiellem Gewinn oft Überhand (Gabriel, und Anderson, 2009).

Luft

Die Luft welche wir überwiegend mit Wind und Atem in Verbindung bringen, ist das flüchtigste Element. Sie vermittelt uns den Gegensatz zwischen Unfassbarem und unabdingbarer Lebensessenz. Zahlreiche Redewendungen wie „in die Luft gehen“ „Geheimnisse lüften“ „ein Luftibus sein“ spielen mit diesem Element. Wir assoziieren mit der Luft Themen der Freiheit, Unverbindlichkeit, Bewusstsein, Sprache und Phantasie (Kreszmeier und Hufenus, 2000).

Der Atem als Lebenshauch ist die Begründung unserer Existenz. Sein rhythmischer Lebensimpuls symbolisiert das Prinzip von Nehmen und Geben. Er steht sinnbildlich für die durchlässige Grenze und Bewegung zwischen dem Innen und Aussen. Die Hinwendung zum bewussten atmen unterstützt Prozesse der Selbstwahrnehmung, ermöglicht eine Konzentration auf das Wesentliche und verbindet uns mit der Gegenwart.

Luft kann sowohl still, sanft und klar aber auch dick, stürmisch und schwer sein. In Form von Wind bringt sie Bewegung in das Leben, gestaltet das Wetter und beeinflusst damit unseren Lebensrhythmus, soziale Strukturen und Werte.

Die Freiheit wird stark mit diesem Element verknüpft. Durch die Luft können wir uns der Schwerkraft entziehen und werden dabei getragen von einer unsichtbaren Kraft. In der Höhe wechseln wir unsere Perspektive und werden frei von Vorstellungen. Wie eine scheinbar schützende Kuppel legt sich der Himmel als weitere Form der Luft über unsere Erde, gleichzeitig werden wir dadurch mit dem unbegrenzten Kosmos dahinter in Kontakt gebracht. So verkörpert die Luft auch die spirituellen Dimension und das Allumfassende (Kreszmeier, 2019).

Das Element Luft gewährt uns zudem die Sinneserfahrung. Als Träger von Düften, Farben und Schall verbindet sie uns mit der Welt. Sie ermöglicht uns die Kommunikation und Interaktion über die Sprache und öffnet uns damit einen Raum für Selbstausdruck und Verständnis. Die Luft repräsentiert die flüchtigen Gedanken unseres Geistes und steht für die Freiheit des Denkens, dem Ort wo Ideen und Konzepten geboren werden. Ist das Element Luft im Menschen stark ausgeprägt kann der rationale Verstand Überhand nehmen. Ein „durchgeistigter Blick“ lässt einen Menschen abwesend erscheinen und verweist auf unterdrückte Gefühle (Gabriel, und Anderson, 2009).

In der Naturerfahrung riechen wir den duftenden Waldboden, werden von Böen und eisigen Biesen aus unserer Reserve gelockt, während uns die Aussicht in der Höhe einen Weitblick schafft und die Sehnsucht in uns wecken kann (Zuffellato und Kreszmeier, 2012).

Schlussbemerkung

Forschungsgegenstand dieses Artikels war dem Einssein auf den Grund zu gehen und zu erörtern inwiefern die Erlebnispädagogik, im speziellen die elementaren Kräfte dazu beitragen dem in unserer Gesellschaft vorherrschenden Gefühl des Getrenntseins entgegen zu wirken.

Das Prinzip der Dualität welches unsere Welt und damit unmittelbar das menschliche Bewusstsein prägt, hat unmissverständlich dazu beigetragen, dass unnatürliche Grenzen unser Dasein bestimmen. Körper von Geist, Menschheit von der Natur, um nur einige davon zu nennen. Die Verwissenschaftlichung, Industrialisierung und Rationalisierung haben diese Entfremdung zusätzlich vorangetrieben.

Einssein wurde als Gefühl ergründet, welches sich durch die Erfüllung von tiefer Verbundenheit äussert, angekoppelt an das Wissen das alles in ein grösseres Ganzes eingebettet ist. Das Einssein lässt uns unmittelbar und bedingungslos dem Leben angeschlossen fühlen, was als Grundvoraussetzung für die Gesundheit von Körper, Geist und Seele jedes Wesens gilt. Eingemittet in der Essenz unseres Wesens kann sich so unser ureigener Rhythmus entfalten.

Die Hinwendung zum Verbindenden wird durch die transformierenden und heilsamen Energien von Feuer, Wasser, Luft und Erde mit denen der Mensch in der Naturerfahrung in Berührung kommt unterstützt. Nicht zuletzt auch deshalb, weil sich im Menschen dieselben elementaren Kräfte wiederfinden lassen. Ausdrücke wie „kein Feuer mehr haben“ deuten darauf hin dass sich Ungleichgewichte im System eines Wesens einschleichen können. Durch die gezielte Begegnung mit den Elementen und ihren unterschiedlichen Wirkungen werden persönliche Reinigungs- und Integrationsprozesse unterstützt, Körper, Geist und Seele in ihrer Integrität bestärkt und die Ausrichtung zu einer gemeinsamen Mitte bewerkstelligt.

Die wirkungsvolle Arbeit mit den elementaren Kräften wird durch den systemischen Blick auf die Welt und der ganzheitliche Ansatz der Erlebnispädagogik zusätzlich unterstützt. Der Mensch wird in seiner Ganzheit von Körper, Seele und Geist angesprochen wobei Kopf, Herz und Hand gezielt angeregt werden. Der Zugang zu den elementaren Energien öffnet sich insbesondere durch die innewohnende Weisheit des Körpers als Erkenntnismedium. Flowerlebnisse machen zudem die Auflösung der Grenzen von Innen und Aussen, von Wahrnehmung und Sein erfahrbar. Ausserdem ermöglicht das Gruppensetting in erlebnispädagogischen Unternehmungen dem Individuum sich als Teil einer grösseren Einheit zu erleben, wo jeweils das ganze Ensemble auf Impulse reagiert.

Eins Sein. Verschmelzung. Ganz werden. Körper, Geist und Seele.
Eins Sein. Von innen nach aussen. Von aussen nach innen.
Eins Sein. Mit dem was ist. Mit dem was sich zeigt.
Eins Sein. Mit dem Fluss des Lebens. Sich tragen lassen von den natürlichen Lebenszyklen.
Neuanfang. Wachstum. Fülle. Ernten. Loslassen. Stille. Innehalten. Transformation.
Eins Sein. In die Handlung kommen. Sich bewegen lassen.
Eins Sein. In die Kraft kommen. Sich tragen lassen.
Eins Sein. Verwurzelung und fliegen.
Eins Sein. Alles ist. Du bist alles. Eins.

Literatur

  • Blankertz, S., Doubrawa E. (2017). Lexikon der Gestalttherapie. Köln (gikPRESS)
  • Driver, O. (2010). Visionssuche mit dem Medizinrad. Darmstadt (Schirner Verlag)
  • Fischer, T., Ziegenspeck, J. (2008). Erlebnispädagogik: Grundlagen des Erfahrungslernens. Bad Heilbrunn (Klinkhardt)
  • Gabriel, V. Anderson, W. (2009). Seelenpfade. Schamanische Wege zur Heilung von Körper und Geist. Uhlstädt-Kirchhasel (Arun Verlag)
  • Hazler, K. (2016). Der Mensch und seine Heilung, das göttliche Puzzle. Wien (Bewusstseins Akademie)
  • Hecht, Y. Lupala – Einssein mit allem was ist, in: Maag Magazin 8 (2018) S. 56-60.
  • Kreszmeier, A. H. (2012). Systemische Naturtherapie. Heidelberg (Carl-Auer Verlag)
  • Kreszmeier, A. H., Hufenus, H. (2000). Wagnisse des Lernens. Bern (Haupt Verlag)
  • Yachour, A. (2015). Akasha Chronik, Das Feld der Liebe und Heilung. Todenbüttel (Salutano Verlag)
  • Zuffellato, A., Kreszmeier, A. H. (2012). Lexikon Erlebnispädagogik. Hergensweiler (Ziel Verlag)

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