Der Himmel über mir: Grau. Die Farben der Welt blass und trostlos. Geht so dieses Jahr zu Ende? Die letzten Blätter lösen sich von den Ästen und verkleben am Boden zu Matsch. Hochnebel verlangt nach Feuer oder Sonne.
Das Wissen, dass es ein Darüber gibt, zieht in die Höhe. Fast benommen in den Nebel hinein. Erst der Strasse entlang, dann ein Wanderweglein hinauf. Noch immer klamme Kälte und gefrorene Schneehaufen. Wird es sich lichten? Die Hoffnung wankt. Ich sehe keinen Steinwurf weit, bin dicht in traurige Watte gepackt. Wie hoch muss ich gehen? Eigentlich bin ich ja ein wenig erkältet. Gar nicht so fit. Ob es sich lohnt? Ob ich besser wieder umkehre? Das sind nur Gedanken, die muss ich nicht so ernst nehmen. Und ich gehe weiter.
Was ist das? Wird es heller oder bilde ich mir das nur ein? Nein, es wird. Die Sonne drückt durch und der Nebel, der mir eben noch schwer die Sicht geraubt hat, leuchtet auf in übernatürlich goldenem Licht. Die letzten Fetzen und ich trete ins strahlende Blau. Farbe und Ferne! Ich atme durch. Ich weite mich. Die Sonne wärmt, ja blendet fast. Hier oben gibt es trocken raschelndes Laub, das zum Hinsetzen einlädt. Die Sicht auf das sogenannte Nebelmeer ist erhebend. „Direkt überm Boden fängt der Himmel an“ singt Thomas D. Yes! Zum Glück hab ich mich aufgemacht. Ich bedanke mich bei mir selbst, beim Hügel, beim Brötlein, in das ich jetzt beisse. Und grinse. Das Leben kann was.
Wenn ich mich mit der Leichtigkeit verbinden möchte, sind mir die Bilder dieses Tagesausflugs noch immer nahe, wärmend und nützlich. Ich zehre noch immer davon und spüre die Sonne auf der Haut.
Was bringt dich in die Leichtigkeit? Brauchst du dazu eine passende Umgebung? Wo fühlst du dich unbeschwert? Oder bei welcher Tätigkeit geht dir das Leben leicht von der Hand? Braucht es einen Weg, der mit einigen schweren Schritten beginnt? Ein Wandern, ein Schlendern, ein Tingeln oder Streunen? Vielleicht ist Ballast abzuwerfen? Gibt es noch etwas aus diesem Jahr, das du noch mit dir herumträgst und das du eigentlich darin zurücklassen kannst? Womit beschwerst du dich? Mit welcher Handlung kannst dus ablegen? Vielleicht wird es auch leichter, wenn du dich tragen lassen kannst. Vom Boden, vom Wasser, von einer schönen Melodie, von lieben Menschen? Vielleicht hilft es, das Leichte zu beobachten, dich im Schauen zu verbinden mit dem letzten wirbelnden Blatt, der ersten Schneeflocke, der Knospe am wippenden Ast, die schon wieder bereit ist für den Frühling. Oder sag einfach etwas ab und fülle die leergewordene Zeit nicht mit dem nächsten Plan. Geniesse die Luft, den Raum, die Stille.
Ich weiss. Jetzt hast du schon so viel zu tun, so viele Verpflichtungen und jetzt musst du dich auch noch darum kümmern, dich leicht zu fühlen? Nun – eigentlich geht es ja eher ums Weglassen. Das macht die Sache nicht einfacher. Weglassen ist schwierig und lohnt sich mächtig. Das Hoffnungsbarometer 2024 hat gezeigt, dass das Vertrauen in eine positive gesellschaftliche Entwicklung und der Glaube an eine gute und gerechte Welt in den letzten Jahren abgenommen hat. Und: Die wichtigsten Quellen für Hoffnung sind – gemäss der Studie – gute Erlebnisse in der freien Natur und die Unterstützung von Familie und Freunden. Da haben wirs! Persönliche gute Erlebnisse in der freien Natur, vielleicht sogar mit Familie und Freunden sind die wichtigste Quelle für Hoffnung und haben damit gesellschaftliche Relevanz!
Leichtigkeit in der Natur zu suchen bedeutet also nicht, vor den Aufgaben der Welt wegzurennen, sondern ihnen mit Hoffnung begegnen zu können.
Die Sonne wird schwächer. Schon schiebt sich ein feiner Wolkenstreif davor und es wird merklich kühler. Es wird Zeit zurückzukehren. Aufgetankt und erfüllt von vitaler Ruhe bin ich bereit, den Weg in den Nebel anzugehen. Ein letzter Schluck am kühlen Brunnen und einen Gutsch Wasser ins Gesicht. Ja, ich habe mich ausgeklinkt. Und jetzt bin ich wieder bereit, mich ins Getümmel zu stürzen. Ich freue mich auf die Menschen, die Zeit der längsten Nacht und des Jahreswechsels.
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