Andrea: Unser Verständnis von systemischer Bildung ist seit jeher ganzheitlich und umfassend. Durch unsere erlebnispädagogischen Wurzeln und unsere Leidenschaft, nomadisch in der Natur unterwegs zu sein, haben wir Lehrgänge stets als Bildungsreisen gesehen und unsere Wurzeln in der systemischen Therapie und Beratung haben uns ganz vielseitige, wirksame Handlungsmethoden geschenkt, die uns seit Jahren inspirieren und unsere Palette ausmachen. Seit einiger Zeit beziehen wir in unseren Lehrgängen und Seminaren sowie auch in der Prozessbegleitung und im Coaching vermehrt körperorientierte Zugänge mit ein und nutzen verschiedene Methoden aus Körper- und Atemtherapie, Achtsamkeitspraxis und verschiedenen körperorientierten Schulen. Im Grunde ist dies nichts Neues bei planoalto und entspricht der Prämisse von Lernen mit Kopf, Herz und Hand oder mit Körper, Psyche und Seele. Interessant ist allerdings, dass in den letzten Jahren viele dieser Ansätze auch durch fundierte Forschung bestärkt wurden und sich die Praxis durch die Erkenntnisse aus der Neurologie und der Epigenetik weiterentwickelt.
Andrea: Christa hat dazu einmal «ganzheitlich plus» gesagt. Klar ist, wir forschen auch in Zukunft weiter nach Ansätzen, mittels derer Menschen persönlich wachsen können und nach möglichst wirksamen Methoden, die Menschen auch ganz konkret ins Handeln und Umsetzen bringen. Uns beschäftigt dabei auch die Frage „Was braucht die Welt?“ und wir sind überzeugt, dass wir mit körperorientieren Zugängen unsere systemischen Handlungsmethoden dafür sinnvoll anreichern können.
Aus der Umweltpsychologie etwa stammt die Ansicht, dass wir nur so viel handeln, wie wir fühlen und dass es nicht an Wissen mangelt. Der Körper ist unser Wahrnehmungsfenster für die Welt, die Basis unserer Handlungen und das Zuhause unserer Gefühle. Methoden wie die „body to brain“ Übungen von Claudia Croos-Müller, die Klopftherapien wie EFT und PEP, Atemsessions, Aufstellungsarbeit oder die Körperarbeit von Arawana Hayashi, Übungen aus der Achtsamkeitspraxis und viele andere bieten uns Zugänge, um Lernerfahrungen körperlich zu verankern, Gefühle wahrzunehmen und zu transformieren und ganz allgemein unser Spektrum als Mensch zu erweitern. Wir finden, das lohnt sich.
Andrea: Klar, gerne zeige ich anhand verschiedener Einsatzbereiche auf, wie wir körperorientierte Zugänge in unsere Arbeit integrieren:
In der Gesprächsführung etwa im Rahmen einer persönlichen Auftragsklärung in der Beratung ist es für uns ganz normal, dass wir immer wieder einen Ebenenwechsel initiieren, um herauszufinden, wie sich Lernschritte emotional anfühlen und wie sie sich auf die körperliche Befindlichkeit auswirken. Hier nutzen wir Körperwahrnehmung und -ausdruck und verankern Ressourcen und Lösungsbilder bewusst auch körperlich.
Im Lehrgang «Biografisches Coaching» begleitet uns Sandra Gloor als Körper- und Atemtherapeutin und wir machen parallel zur Biografiearbeit mit Kreativtechniken und Szenischen Methoden auch begleitete Atemsessions oder Übungen aus dem Neurogenen Zittern, um unbewusste Blockaden ins Fliessen bringen zu können oder an unbewusste Themen heranzukommen.
Das Seminar «Atem holen» fokussiert voll auf das heilsame Potential eines fliessenden Atmens und eines wahrnehmenden und beweglichen Körpers. Auch hier kombinieren wir das Unterwegssein in der Natur mit systemischem Coaching sowie körper- und atemtherapeutischen Zugängen.
In den Outdoor-Lehrgängen integrieren wir immer wieder Achtsamkeitsübungen, körperliche Wahrnehmungsschulung und Methoden aus unterschiedlichen Fachbereichen. Je nach den inhaltlichen Schwerpunkten unserer Angebote arbeiten wir etwa für ein besseres Verständnis von Systemzusammenhängen und Gruppendynamik mit Formaten aus dem Repertoire von Arawana Hayashi, oder mit Skulpturarbeit nach Virgina Satir oder wir nutzen body to brain Übungen oder die Aktivierung von Triggerpunkten, wenn es herausfordernde Situationen zu meistern gilt.
Andrea: Jede*r aus unserem Team hat ein eigenes Sortiment an Best-of Methoden und Zugängen. Und manchmal machen wir auch gemeinsame Weiterbildungen und so ergänzen wir dann unsere Palette auch gemeinsam. Steve de Shazer hat es mal auf den Punkt gebracht, als er sagte: „Wenn etwas funktioniert, mach mehr davon und wenn etwas nicht funktioniert, dann mach etwas anderes…“ So wählen wir die Methoden situativ passend zu den Menschen, den Lernzielen sowie den Möglichkeiten und Verhältnissen, die uns der (Natur-)Raum bietet.
Wir sind an Wirksamkeit interessiert und über diese entscheidet als Coach in erster Linie mein Gegenüber. Aus der Neurologie und der Epigenetik wissen wir aber, dass ganzheitliche Zugänge, die Menschen auf mehreren Ebenen ansprechen, eine höhere Wirksamkeit aufweisen, als rein sprachliche oder rein kognitive Ansätze. Das spricht also klar für handlungsorientierte Ansätze und auch körperorientierte Zugänge. Überdies soll Lernen auch Freude machen und Sinn ergeben. Und Sinn hat ja bekanntlich zwei Bedeutungen. Wir wollen also den Menschen mit seinen Sinnen ansprechen und sinnvoll wirken.
Ich persönlich schätze Körpermethoden, die einfach anwendbar und auch einfach zu erlernen sind. Gerne habe ich kurze Formate, die keine besonderen Vorkenntnisse oder z.B. eine super Beweglichkeit erfordern, die auf körperlicher Ebene Impulse liefern und die die Handlungsmethoden, mit denen wir sonst arbeiten, gut ergänzen. In der Neurologie lassen sich heute viele Wirkungsweisen unterschiedlicher Methoden erforschen und nachweisen. Das entzaubert oder instrumentalisiert die Prozessbegleitung und die Handlungsmethoden aber nicht, sondern lädt im Gegenteil dazu ein, jede Begleitung voller Aufmerksamkeit und Achtsamkeit anzugehen und die für das Gegenüber passenden Zugänge und Methoden zu finden.
In der Choreografie eines Kurstages oder eines Coachings schätze ich Körperübungen auch als willkommene Abwechslung zur Auflockerung oder um Inhalte auf einer anderen Ebene „begreifbar“ zu machen. Gehirngerechtes Lernen schliesst auch Bewegung, Abwechslung und die eine oder andere Körperübung mit ein.
Andrea: Ich muss etwas ausholen. In der Begleitung von Menschen bin ich selbst mein wichtigstes und wirksamstes „Werkzeug“. Ich tue also gut daran, dieses Werkzeug gut zu kennen und wirksam anwenden zu können.
Wir investieren in Persönlichkeitsentwicklung nicht einfach um dem Individualismus zu fröhnen, sondern weil wir davon überzeugt sind, dass wir durch individuelle Persönlichkeitsentwicklung auch als Gemeinschaft weiter kommen und dass wir die Herausforderungen unserer Zeit somit besser meistern können. Auf dem Weg der Entwicklung unserer Wissensgesellschaft gab es irgendwann eine Trennung zwischen Geist und Materie. Wir haben uns aufs Denken spezialisiert und über eine längere Zeit so getan, als bräuchten wir den Körper nicht (mehr) – weder unseren physischen noch den Erdenkörper.
Körperorientierte Ansätze haben das Potenzial, diese Trennung zu überwinden und diese Abspaltung zu heilen. Über unseren Körper treten wir in Kontakt mit der Welt und gehen mit ihr in Resonanz. Der Körper ist unser Zuhause, unser Tor zur Welt und er bietet uns die Möglichkeiten, uns in der Welt auszudrücken und zu interagieren. So gesehen ist es das Natürlichste der Welt, dass wir Methoden wählen, die unseren Körper ansprechen und nutzen.
Körperorientierte Methoden können manchmal Menschen auf einer Ebene erreichen, wo ich mit Worten nicht hinkomme. Sie können Worte spürbar machen und ihnen Bedeutung geben. Sie können unbewusste Energien – Ressourcen oder Blockaden – sichtbar werden lassen uns ins Fliessen bringen. Sie können Prozesse beschleunigen, verdichten oder verlangsamen und verdeutlichen. Sie können Brücken zwischen Menschen schlagen und sie wieder mit der „mehr als menschlichen Natur“ rückverbinden. Körperorientierte Methoden können Menschen zentrieren, erden und aufrichten und sie können ihnen konkrete Erfahrungen und das Gefühl von Wirksamkeit ermöglichen. Im Unterschied zu unseren Gedanken und Gefühlen können wir unseren Körper in der Regel ganz bewusst steuern und regulieren. Das ist für viele Menschen sehr heilsam.
Es ist offensichtlich, dass wir die „Wirklichkeit“ der Welt immer nur durch die Begrenztheit unserer körperlichen Wahrnehmung begreifen können und gerade deshalb ist es so wertvoll an dieser Wahrnehmung zu feilen und hinter die Kulissen der Zusammenhänge zwischen Wahrnehmung, emotionalen Reaktionen und Deutungen zu schauen. Im Zen gibt es die Formulierung: Du hast einen Körper, aber du bist nicht dein Körper. Du hast Gefühle, aber du bist nicht deine Gefühle. Du hast Gedanken, aber du bist nicht deine Gedanken. Aus meiner Sicht geht es darum, dass wir unsere Möglichkeiten der Wahrnehmung, des „Verstehens“, der Integration und Transformation und des Ausdrucks immer wieder erweitern und dies sowohl auf körperlicher als auch auf psychischer und seelischer Ebene. Genau dafür eignen sich körperorientierte Zugänge besonders gut.
Andrea: Unsere Angebote decken eine ziemliche Bandbreite ab, vom outdoor Leadership und der natursportlichen Erlebnispädagogik über Prozessbegleitung bis hin zu biografischem Coaching. Unsere Schwerpunkte liegen auf der Befähigung, Gruppen zu führen, Lern- und Entwicklungsprozesse zu gestalten und Einzelpersonen bei persönlichen Fragestellungen handlungsorientiert zu begleiten. Wir wirken also in den Feldern Bildung, Führung und Beratung. Die meisten Teamer*innen von uns bringen viel Erfahrungen in diversen Natursportarten mit und unser Verständnis von Lernen, von Balance im Leben, von Gesundheit und von körperlichen Zugängen ist auch von diesen sportlichen Aktivitäten geprägt.
Wenn wir Menschen in Lehrgängen oder in Coachings begleiten und dabei auch körperorientierte Methoden einbringen, habe wir ein klares Rollenverständnis als Erwachsenenbilderinnen, Lernbegleiter und Coaches. Auf der anderen Seite begleiten wir Menschen in Entwicklungsprozessen und das kann durchaus auch mal ans „Eingemachte“ gehen – und soll es aus meiner Sicht auch. Dies betrifft aber nicht nur die körperorientierten Zugänge, sondern auch Gesprächssettings oder einfach das draussen unterwegs Sein.
Andrea: Ganzheitliches Prozessbegleitung, erfahrungsorientierte Lernzugänge und vielseitige Methoden stecken in der DNA von Planoalto. Wenn ich in die Zukunft schaue, spüre ich gleichzeitig stark unsere Wurzeln. Wir lieben es, Menschen in die Natur zu führen und in persönliche Lern- und Wachstumsprozesse einzutauchen. Mit unserer Arbeit tragen wir dazu bei, dass Werte wie Zuversicht, Ressourcenorientierung und Lösungsfokus, Wertschätzung und Bescheidenheit in verschiedene Bereiche der Gesellschaft vermehrt einfliessen können. Wir schulen Wahrnehmung, Lösungssprache und systemische Handlungskompetenzen mit dem Ziel, dass die Absolvent*innen unserer Angebote in ihren Führungsaufgaben und Bildungsaufträgen wirksam sind.
Aus dem allenfalls noch stärkeren Einbezug der Körperarbeit in unsere Lehrgänge und Prozessbegleitung können im besten Fall ganz unterschiedliche, lebendige Lern- und Lebensbewegungen entstehen. Wir arbeiten derzeit an einigen neuen Seminaren und auch an einem längeren Curriculum und körperorientierte Methoden kommen auch hier vor – mal ganz zentral und mal einfach ins Gesamtkonzept integriert.
Quellen:
Antonia Pfeiffer. Emotionale Erinnerung – Klopfen als Schlüssel für Lösungen. Neurowissenschaftliche Wirkhypothesen der Klopftechnik. 2022, Carl Auer Heidelberg
Isabelle Mansuy, Jean-Michel Gurret, Alix Lefief-Delcourt. Wir können unsere Gene steuern. Die Chance der Epigenetik für ein gesundes und glückliches Leben. 2021, Berlin Verlag Berlin
Bernd Heckmair, Werner Michl. Von der Hand zum Hirn und zurück. Bewegtes Lernen im Fokus der Hirnforschung. 2013, Ziel Verlag Augsburg
Gabriela von Witzleben. Das triadische Prinzip. Minimalinvasive Psychologie mit Bauch Herz und Kopf. 2021, Carl-Auer Heidelberg
Arawana Hayash. Social Presencing Theater. The art of making a true move. 2021, Presencing Institute New York